Auswärts essen bei Familienfeiern der älteren Generation war noch nie mein Ding. Fettig, schwer, fleischlastig. Als die gutbürgerlichen Küchen - ein Quantensprung - auch vegetarische Gerichte in die Karte aufgenommen und die gedankliche Hürde: "Kann man ohne Fleisch leben?" überwunden hatten, währte die Freude kurz.
Das vegetarische Gericht wurde als direkte Übersetzung der Tradition ins Fleischfreie interpretiert: Von Kartoffeln, Schnitzel und -was oft einfach nur ein Glücksfall war- Gemüse hin zu Kartoffeln, Soja-Schnitzel und Gemüse. Dass eine panierte elastische Masse den Gaumen wenig erfreut, wenn man Gemüse mag und die Fleischscheibe nicht vermisst, traf stets auf Unverständnis.
Der 3-Komponenten-Teller wurde gepflegt, das Fertigprodukt (Bratling, Soja-Schnitzel, Gemüsebreifilet u.v.a.), in die Fritteuse geschmissen und danach wie ein Pokal zur Vegetarierin getragen. Das war doch eine Auszeichnung der Flexibilität der Küche! Naja. Der Fleischersatz fand in der Regel auf anderen Tellern ein neues Zuhause; das Stehen-lassen hätte der Gastwirt wohl als undankbar empfunden.
Zum Glück begegnen mir die Fleisch-Plagiate inzwischen nur noch selten. Die älteren Verwandten werden weniger, und die gutbürgerliche Küche glänzt inzwischen mit Ofenkartoffel, Backcamembert und manchmal, ganz, ganz selten, tatsächlich auch mit einem Gemüseteller.